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Elke Werner und die eindrucksvollen Facetten der Natur

VON LISA VALENTINA RIEDEL

 

Seit 2002 nutzt Elke Werner (*1960) die Kunst als kreatives Ausdrucksmittel. Während sie sich zunächst dem Aquarell widmete, entwickelte sie schon bald ein besonderes Interesse daran autodidaktisch mit verschiedenen Techniken zu experimentieren. Als Resultat entstand ein Oeuvre, das nicht nur aus Gemälden, sondern auch zunehmend aus Objekten besteht. Die gestalterischen Mittel für ihre Arbeiten sind zahlreich und variieren von Kunstwerk zu Kunstwerk. Doch lassen sich bestimmte Konstanten in Elke Werners Schaffen herauskristallisieren. Die Natur ist ein steter Begleiter, denn diese liefert nicht nur die thematische Inspiration, sondern auch Kernelemente ihrer Kunst sind der Natur direkt entnommen: Äste, Baumrinden und Blätter oder Baumpilze, Federn und Steine geben der Künstlerin Anlass, neue Werke zu schaffen und die gefundenen Materialien darin zu verewigen.

 

Den gefundenen Objekten sind keine Grenzen auferlegt, was Inspiration entflammt wird gesammelt und fließt beispielsweise in ihre Assemblagen oder Objekte mit ein. Dabei macht die Künstlerin keinen Halt vor großen oder schweren Naturmaterialien wie zum Beispiel Baumstümpfen. Auch dann nicht, wenn das Vermodern bereits begonnen hat. Gerade hier liegt die Herausforderung der künstlerischen Tätigkeit. So ist es Elke Werner ein Anliegen das Gefundene erhalt- und erlebbar zu verewigen. Daher bedeutet Natur im Werk Werners nicht, diese mit Hilfe von verschiedenen Techniken wiederzugeben, sondern auch all ihre Facetten kennenzulernen und den natürlichen Zersetzungsprozessen entgegenzuwirken und diese regelrecht zum Stillstand zu bringen.

 

Von diesem Standpunkt aus überrascht es nicht, dass das Hauptwerkzeug neben den gefundenen Zeugnissen ebenfalls ein Naturprodukt ist: das Wachs. Vom Aquarell entfernte sie sich über die Jahre hinweg zunehmend und experimentierte mit verschiedenen Medien und Techniken, die letztlich in Gemälden, Assemblagen und Objekten resultieren. Insbesondere durch das Arbeiten mit Wachs fand sie schließlich zu ihrer eigenen Bildsprache, die sich in allen Werkbereichen manifestiert. Jede Objektgruppe hat stets ihre eigenen Charakteristika und individuellen Merkmale, die im Folgenden näher betrachtet werden.

 

Ausgangspunkt für die heute verwendete Wachstechnik war die autodidaktische Beschäftigung mit der Enkaustik. Einer Technik, die wesentlich älter als die der heute deutlich bekannteren Ölmalerei ist und ihre erste Blütezeit in der griechisch-römischen Antike hatte. Der Name entstammt dem griechischen Wort „enkaustikos“, was übersetzt „einbrennen“ heißt und bereits die wichtigste Eigenschaft dieser Technik umschreibt, denn das Grundprinzip dieser Technik ist es trockene Farbpigmente mit geschmolzenem Wachs auf einer warmen Palette zu vermischen, die dann beispielsweise auf Holztafeln, Gips oder Leinwand aufgetragen werden. Um das Kunstwerk fertigzustellen, werden dann die Farben mithilfe einer Wärmequelle eingebrannt, sodass beides - das Wachs und die Farbpigmente - miteinander verschmilzt und verklebt. Eine weitere Methode der Enkaustik ist es eine gewisse Plastizität zu integrieren. Dies geschieht, wenn das Wachs mit mithilfe von beispielsweise Terpentin aufgelöst wird und dann durch das Zugeben von Natron in eine seifenartige Paste zu einer Emulsion verbunden wird. 

 

In Elke Werners Herangehensweise an die Wachstechnik ist vor allem das Modellieren der Enkaustik geblieben. Für die Plastizität und intensive Wirkungsweise verwendet die Künstlerin eine eigens kreierte Wachsbearbeitung, die die Grundlage des im Übrigen mit Acrylfarbe fertiggestellten Gemäldes bildet. Gleichzeitig dient dieses Material als Grundlage für das Einbinden von Baumrinden oder Ähnlichem, wie es für die noch genauer zu betrachtenden Assemblagen essentiell ist. Mit dieser Loslösung von der klassischen Enkaustik schuf die Künstlerin ihre ganz eigene, vielschichtige Herangehensweise, die ihren kreativen Bedürfnissen in Gänze entspricht und sich schon früh in den entstandenen Halbreliefs manifestiert.

 

Eine erste besondere Werkreihe, bei der diese eigene Technik im Mittelpunkt steht, entstand nach verschiedenen Reisen nach Afrika und Indien, bei der die jeweilige Flora und Fauna nachhaltigen Eindruck hinterließen. Werner verarbeitete diese Reisen mit ihrer Darstellung unter anderem von Elefanten, Büffeln und Nashörnern. Dabei beließ sie es jedoch nicht bei einer ausschließlich malerischen Arbeit, sondern nutzte die besonderen Möglichkeiten des Wachses zur Herstellung von Halbreliefs. Bereits durch das Malerischgestalterische entsteht ein starker fotorealistischer Eindruck. Dieser wird durch die Plastizität der Wachstechnik noch verschärft, sodass die Betrachter sich regelrecht in der Steppe verorten und selbst diese Tiere in ihrer freien Wildbahn beobachten könnten. Allerdings verzichtet die Künstlerin absichtlich darauf, die Tiere in ihrer natürlichen Wildbahn zu zeigen. So soll nicht von der Individualität der Lebewesen abgelenkt werden. Der häufig dunkle zum Teil undefinierte Hintergrund intensiviert noch einmal diesen Eindruck, erlaubt es aber darüber hinaus das Wesen differenziert darzustellen.

 

Vergleichen wir hierfür die Werke „Inspiration Tansania“ und „Die blaue Stunde“, beide zeigen einen Elefanten. Zwar präsentieren sie uns unterschiedliche Ansichten der Tiere, so wird ersteres im Profil und letzteres frontal dargestellt, doch ist die unterschiedliche Komposition des Hintergrunds für die Herausarbeitung der Charaktergestalt des jeweiligen Lebewesens essentiell. Der fast schwarze Grund in „Inspiration Tansania“ unterstützt die Wahrnehmung, dass das Tier ruhig und gelassen erscheint und gleichzeitig eine gewisse Verletzlichkeit offenbart, im dargestellten Moment ist es ganz in sich zurück gezogen und nimmt seine Umgebung möglicherweise nur bedingt wahr. Die in helleren Grau- und Brauntönen gehaltene Kulisse in „Die blaue Stunde“ hingegen, erzeugt im direkten Vergleich eine unruhigere Umgebung und verdeutlicht den sowohl auffordernden als auch abwartenden Gestus. Darüber hinaus sind die aufgestellten Ohren des Tieres Zeichen dafür, dass es bereit ist und die Konfrontation mit dem Betrachter erwartet.

 

Von den Tierdarstellungen im Halbrelief losgelöst, widmet sich Elke Werner nun zunehmend der Abstraktion, wie beispielsweise im Werk „Neues Leben“, in dem bereits unter dem aufgeplatzten Boden das neue Leben hervorkommt, so erkennt man in den abgebildeten Rissen bereits die hoffnungsvolle grüne Farbe - gleich der Mythologie des Phönix aus der Asche. So greift die Künstlerin hier ebenfalls die Natur auf, setzt sich aber gleichzeitig kritisch mit ihr und dem aktuellen Geschehen auseinander. In „Illusion“ sehen wir Risse in einer Baumrinde, die zum Verwechseln echt aussieht, aber ausschließlich mit ihrer Wachstechnik gefertigt wurde und bereits einen Hinweis auf einen zweiten Werkkomplex im Schaffen der Künstlerin gibt. Denn neben der ausschließlichen Modellierung mit Wachs entstehen ebenfalls Kombinationen mit Fundstücken aus der Natur. Das Besondere an diesen Arbeiten ist, und das wird im Werk „Illusion“ bereits angedeutet und in „Halt mich fest“ vollends umgesetzt, dass man zum Teil kaum identifizieren kann, welche Teilstücke modelliert und welche der Natur entnommen sind. Hierin liegen nicht nur die herausragenden Fähigkeiten der Künstlerin, sondern auch das ihr eigene Spiel mit der Natur und der Vergänglichkeit.

 

Jenes zieht sich wie ein roter Faden durch Werners Oeuvre, denn in zahlreichen Assemblagen, die ohne die Wachstechnik entstanden sind, finden wir die bereits oben genannten vielfältigen Materialien wieder. Ein immer wiederkehrendes Element sind Holzrinden in verschiedenen Farben, Formen und Größen, die Eingang in ihre Assemblagen finden. In „Komm auf die Insel“ wird deutlich, dass die Natur einen wichtigen Ruhepol im Leben der Künstlerin darstellt. Die Betrachter sehen nicht nur eine Insel am nebligen Horizont, sondern nehmen den Blickpunkt am rauen Ufer ein und blicken in eine graue Herbst Tristesse, die trotzdem oder gerade deswegen überaus einladend wirkt. Diese Fundstücke aus der Natur erlauben es Elke Werner erneut plastisch zu arbeiten und den Betrachtern entgegen zu kommen, sie einzuladen ihre Werke nicht nur zu betrachten, sondern sich auf das Thema einzulassen und sich, wie in diesem Beispiel, auf die Insel forttragen zu lassen. Dass es nicht immer große Objekte sein müssen, die in die Assemblagen eingearbeitet werden, zeigen die Werke mit den Titeln „Lebenssaft I“ und „Lebenssaft II“, in denen Werner kleine Baumpilze verarbeitet und mit ihnen quasi Steinflächen aufbricht, damit die Natur erneut ihren Platz zurück erobern kann.

 

Demgegenüber stehen monumentalere Gegenstände, die von der Künstlerin in ihren Objekten verarbeitet werden. Ein Beispiel ist das etwa 50 x 75 cm große Objekt mit dem Titel „Meeresdrachenvogel“, dessen Kernelement ein würdevoll anmutendes Holzstück ist, das nicht nur in sich verschlungen, sondern deutlich von der Natur und den Witterungsprozessen gezeichnet ist und durch die einmalige Form in Erinnerung bleibt. Verästelungen wie diese sind ein typisches Kennzeichen in Werners dreidimensionalem Schaffen. Ihre Objekte bestechen vor allem durch die Kombination des gefundenen Gegenstands mit den filigran gearbeiteten Additionen, die das Gefundene bereichern und ihnen eine neue Sinnebene geben.

 

Die Vielseitigkeit in Werners Schaffen beruht insbesondere auf unserer reichhaltigen Natur, die immer wieder mit Überraschungen lockt und so kontinuierlich für neue Inspiration und Ideenvielfalt sorgt. Indem die Künstlerin den natürlichen Prozess der Verwitterung unterbindet, geht sie eine Beziehung mit der Vergänglichkeit ein, verändert und unterbindet sie und erzeugt so Kunstwerke, die den Betrachtern neue Blickwinkel eröffnen und sie dazu einladen sich mit ihrer Umgebung auseinanderzusetzen. So lange wir unsere Natur schützen und rücksichtsvoll mit ihr umgehen, so lange werden wir von Elke Werner weitere Schöpfungen aus dieser Inspirationsquelle erwarten können.

Quellen: 

1 Rice, Danielle, Encaustic Painting Revivals: A History of Discord and Discovery, in: Gail Stavitsky (Hrsg.), Waxing Poetic. Encaustic Art in America, New Brunswick, NJ 1999, S. 5-15, S. 5

2 Ebd.

3 Ebd.

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